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Grunderwerbsteuer: Vonovia trickst bei Übernahme

Vonovia muss bei der Übernahme der Deutsche Wohnen keine Grunderwerbsteuer zahlen. Das wird die Debatte über die Enteignung der Wohnkonzerne noch weiter anheizen. „Vonovia“ ist inzwischen zum Reizwort in der aufgehitzten Debatte über Wohnraum in Berlin geworden. Das Unternehmen will den Konkurrenten Deutsche Wohnen für beeindruckende 18 Milliarden Euro übernehmen und sich damit an die Spitze der europäischen Immobilienkonzerne katapultieren. Mehr als eine halbe Million Wohnungen deutschlandweit würden Vonovia gehören. Ein Konzern, dem es nur um Profite zu Lasten der Mieterinnen und Mieter geht, so lautet der Vorwurf der Initiative Deutsche Wohnen Enteignen, die erfolgreich für einen Volksentscheid gekämpft hat, um die Wohnungskonzerne zu verstaatlichen.

Zwischenüberschrift Grunderwerbsteuer

Doch zu dem Vorwurf der Profitmaximierung um jeden Preis wird sich nun ein weiterer gesellen: schäbige Steueroptimierung. Vonovia wird beim Erwerb der rund 90.000 Deutsche-Wohnen-Wohnungen keinen Cent Grunderwerbsteuer an das Land Berlin zahlen. Das geht aus der gemeinsamen Stellungnahme von Vorstand und Aufsichtsrat der Deutsche Wohnen sowie des Übernahmeangebots der Vonovia hervor. Zum Vergleich: Familien, die – wenn sie überhaupt dazu in der Lage sind – eine Wohnung in Berlin kaufen, müssen in der Regel den Großteil ihrer Ersparnisse dafür einsetzen. Sie verschulden sich mit einem Immobilienkredit und müssen dann auf einen Schlag – je nach Kaufpreis – außerdem noch zehntausende Euro Grunderwerbsteuer zahlen. Die beträgt im Land Berlin immerhin satte sechs Prozent der Kaufpreissumme. Den Immobilienkredit dürfen sie noch nicht einmal für die Finanzierung der Steuer verwenden, sondern müssen dafür weiteres Eigenkapital in die Hand nehmen oder einen teuren Ratenkredit aufnehmen. Und die meisten Familien kaufen eine Immobilie, um selbst darin zu wohnen und nicht, um damit Gewinne zu machen.

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Der Skandal aber ist, dass Vonovia ganz legal keine Grunderwerbsteuer zahlen muss. Denn Vonovia kauft ja nicht die Wohnungen von Deutsche Wohnen – der Konzern kauft nur die Aktien des Deutschen Wohnen Konzerns. Dabei wird er nicht die Grenze von 90 Prozent der Deutsche Wohnen-Aktien überschreiten. Diese Zahl markiert jene Grenze, ab der Grunderwerbsteuer fällig wird. Zum Glück für die Immobilienkonzerne fiel die jüngste Reform der Grunderwerbsteuer nicht ganz so streng aus, wie zunächst von der Politik angekündigt. Dabei sollte doch alles anders werden und Steuerschlupflöcher ein für alle Mal geschlossen werden. Union und SPD hatten sich im Mai auf eine entsprechende Neuregelung des Grunderwerbsteuergesetzes geeinigt, die zum 1. Juli in Kraft getreten ist. Doch die Reform ist ein Reförmchen. Zwar liegt jetzt die Höchstgrenze bei einer Beteiligung nun bei 90 statt wie vorher bei 95 Prozent. Aber die sogenannten Share Deals sind weiterhin zulässig. Mit diesem Steuerschlupfloch umgehen Konzerne bei Übernahmen seit Jahren gezielt die Grunderwerbsteuer für Immobilienvermögen – ganz legal. Im Fall von Vonovia heißt das: Vonovia wird zunächst maximal 89,9 Prozent Anteil der Deutsche Wohnen übernehmen, der Rest wird über erst einmal über die französische Bank Société Générale abgewickelt.

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Nach Ablauf von zehn Jahren kann Vonovia die verbleibenden Anteile dann steuerfrei übernehmen. Vor der Reform lag diese Frist bei fünf Jahren. Ob nun 90 Prozent und zehn Jahre oder 95 Prozent und fünf Jahre – das Beispiel Vonovia zeigt, dass die Share-Deals durch die Reform keineswegs unattraktiver geworden sind. Im Gegenteil: Schätzungsweise eine Milliarde Euro Grunderwerbsteuer spart Vonovia durch den Share Deal mit Deutsche Wohnen. Eine Milliarde Euro, die Berlin gut gebrauchen könnte – es fehlen nicht nur bezahlbare kommunale Wohnungen. Die Berliner Verwaltung gilt als marode, viele Schulen sind in einem jämmerlichen Zustand, die öffentliche Infrastruktur braucht dringend Investitionen.

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